Favelas von Rio de Janeiro: Wie gefährlich ist es?

13 min
Favelas Rio de Janeiro Rocinha wie gefährlich

Das noch ärmere Viertel in Rocinha.

Die Favelas von Rio de Janeiro. Eine der gefürchteten Stadteile, nicht nur in Brasilien, sondern weltweit. Tägliche Bandenkriege, Raubüberfälle, Vergewaltigung, Elend und Leid. Keine Perspektive auf ein besseres Leben begleitet viele Einwohner, die in diesen Stadtvierteln ihren Alltag meistern.

Während meinem Aufenthalt in Rio de Janeiro lies ich mir die Möglichkeit nicht entgehen um mich davon zu überzeugen, wie es wirklich vor Ort ist. Teilweise hat sich mein Bild sogar stark zum positiven verändert. Ein authentischer Einblick abseits vorgefertigter Meinung.

Angst und Vorfreude

Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie ich mit meinem Cousin im Hotel an der Copacabana sass und wir aufgrund nicht ganz idealen Wetterbedinungen nach dem nächsten Abenteuer suchten.

Was ist so typisch Rio, an das man ein Leben lang zurückdenkt?

Wollen wir in die Favelas gehen?

Die Idee, einmal im Leben die Favelas zu besuchen, schwirrte mir schon lange im Kopf. Doch ist es das wirklich wert? Schliesslich habe ich noch so einiges im Leben vor und will nicht unbedingt draufgehen, nur weil ich meine Abenteuerlust nicht stillen kann.

Ich möchte authentisch reisen und nicht bloss das sehen, was mir vorgespielt wird. Ich will das wahre Leben sehen, wie es wirklich manchmal leider ist.

Etwas im Internet recherchiert haben wir gesehen, dass es da draussen wohl auch andere Reiseverrückte gibt, die es ebenfalls nicht lassen konnten und die berühmt berüchtigten Favelas von Rio de Janeiro besucht haben.

Ein paar Klicks später war auch unser Trip gebucht. Rocinha, die grösste Favela Brasiliens sollte es sein.
Irgendwie hat man sich gefreut, irgendwie hatte man doch ein komisches Gefühl im Magen. Viel zu wenig positives hört man über die Armenviertel, sodass eine zweifellos Vorfreude irgendwie schwierig ist.
Favelas Rio de Janeiro Rocinha wie gefährlich

Die Engel-Graffiti befinden sich auf vielen Wänden in Rocinha.

Favelas Rio de Janeiro Rocinha wie gefährlich

Engel stehen als Symbol für Licht. Licht in die Dunkelheit.

Favelas Rio de Janeiro Rocinha wie gefährlich

Der Superman darf auch nicht fehlen. Der ist übrigens rechts im Bild.

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Bom dia Rocinha

Auf dem Weg vom schönen Copacabana nach Rocinha spielte sich ein Wechselbad der Gefühle ab.
  • Warum machen ich das überhaupt?
  • Wie gefährlich ist es wirklich?
  • Was passiert heute alles?
  • Was ist an den Vorurteilen dran?
  • Werde ich den heutigen Abend erleben?

Zum Glück ist man mit all den Fragen, die einem im Kopf schwirren, nicht alleine. So ziemlich jeder fragt sich das selbe und doch wird das Abenteuer und das unvergessliche Erlebnis in Kauf genommen.

Angekommen in Rocinha, ist es wild und laut.

Die Favelas sind lebendig. Extrem.

Überall fahren ständig Motorradräder herum, Menschen durchqueren die Strassen und die Autos düsen rauf und runter. Manchmal dachte ich mir, dass das wohl die grösste Todesursache sein könnte.

Oft wird man von dein Einwohnern etwas schräg angeguckt und dennoch passiert einem nichts. Das hängt teilweise auch mit dem zusammen, dass ein Teil der Einnahmen von den geführten Touren an die Gemeinde gespendet wird. Das wiederum ermöglicht den Einwohnern ein besseres Leben.

Das Gefühl, ob es wirklich intelligent ist, sein Smartphone oder die Kamera schnell  mal herauszunehmen um ein paar Fotos zu machen, bleibt den ganzen Besuch über etwas ungewiss.

Favelas Rio de Janeiro Rocinha wie gefährlich

Die Favelas vor Rocinha den Hang herunter.

Favelas Rio de Janeiro Rocinha wie gefährlich

Die Grenze zwischen Reich und Arm verläuft fliessend.

Favelas Rio de Janeiro Rocinha wie gefährlich

Ein kleiner Spaziergang in den Strassen der Favelas.

Favelas Rio de Janeiro Rocinha wie gefährlich

Die typischen engen Gassen zwischen den Häusern.

Der Alltag im Favela

Chaotisch.

Das Wort beschreibt den Alltag in den Favelas wohl am besten.

Die vielen Motorräder, die einen fast überfahren, sind als Taxis unterwegs. Sie fahren ständig rauf und runter und bringen die Einwohner in die reicheren Gegenden oder wieder nach Hause.

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All die Häuser, welche meistens aus blossen roten Bausteinen aufeinander gebaut sind, haben oft keine eigene Adresse. Dafür gibt es eine Sammelstelle, die als Postverteiler dient. Hier werden die Briefe und Päckchen abgeholt oder in die weite Welt herausgeschickt.

Die chaotische Bauordnung ist der Tatsache zu verdanken, dass die Einwohner per Quadratmeter zahlen müssen. Um diese Kosten möglichst gering zu halten, wird dann lieber in die Höhe gebaut, um immer noch ein Leben finanzieren zu können.

Viele der Einwohner sind keine wirklichen Einheimischen, die schon seit Generationen in den Favelas leben. Vielmehr sind es oft Menschen, die mal ein besseres Leben in reicheren Vierteln hatten und nun aufgrund persönlichem Schicksal in die Armenviertel umziehen mussten.

Wer erst kurzfristig in die Favelas umziehen musste und vorerst keine eigene Bleibe hat, der findet in speziell eingerichteten Häusern erstmal eine Übernachtungsmöglichkeit, bis man sich etwas zurechtfindet. So muss niemand auf der Strasse übernachten und kann ein einigermassen normales Leben weiterführen.

So normal, wie es möglich ist.

Trotz dem auf den ersten Blick scheinbaren Chaos, haben sich die Einwohner Favelas in vielen Hinsichten gut zurechtgefunden. Auf den Dächern ragen riesige Wassertanks, womit für den alltäglichen Bedarf vorgesorgt wurde. Die Regierung lässt die Einwohner mit der ganzen Infrastruktur etwas auf der Seite liegen, wodurch die Einwohner dazu gezwungen sind, für sich selbst zu sorgen. Ebenfalls überall an den Häuserwänden hängen Satellitenschüsseln, womit für die Unterhaltung am TV und für das Internet gesorgt ist.

Etwas Ablenkung vom Alltag im Favela ist immer willkommen.

Für den Strom sorgen etwa 30% der Einwohner, die restlichen 70% “lehnen” sich diesen dann aus. Natürlich ohne Bezahlung an die ehrlicheren Bürger, die wiederum 100% der Stromrechnung zahlen müssen und somit doppelt oder dreifach blechen müssen. Eine kleine Matheaufgabe nebenbei.

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Favelas Rio de Janeiro Rocinha wie gefährlich

Irgendwie funktioniert das dennoch mit der Stromzufuhr.

Favelas Rio de Janeiro Rocinha wie gefährlich

Die Stromkabel hängen in den engen Gassen chaotisch herum.

Favelas Rio de Janeiro Rocinha wie gefährlich

Auch die Einwohner von Favelas legen Wert auf gepflegtes Aussehen.

Favelas Rio de Janeiro Rocinha wie gefährlich

Die Kinder versuchen sich nach der Schule in Capoeira.

Favelas Rio de Janeiro Rocinha wie gefährlich

Die Rocinha Favela mit einem Blick aufwärts.

Wie gefährlich ist es wirklich?

Bevor ist zu dem Punkt komme, wie gefährlich die Favelas wirklich sind, möchte ich damit anfangen, was sie überhaupt so gefährlich macht.

Die Bewohner Favelas fühlen sich leider in vielen Hinsichten vom restlichen Staat ausgeschlossen. Wenn du kein Geld hast und die Miete nicht zahlen kannst, wirst du halt schnell mal in eine andere Ecke geschoben, um dort mit anderen ärmeren Menschen deinen Alltag zu meistern.

Wie würdest du dich fühlen, wenn man dich aus der Gesellschaft wegstosst?

Von den ca. 763 Favelas in Rio de Janeiro, sind bloss 220 von der Polizei kontrolliert und dadurch etwas sicherer. Die restlichen werden ohne Polizeimacht alleine gelassen, bzw. vergessen. Leider hängt diese Tatsache auch mit den hohen Kosten zusammen. Wenn man alle Favelas unter Kontrolle haben möchte, müssten noch viel mehr Polizisten ausgebildet werden. Dies hängt mit extrem hohen Kosten zusammen, welcher der Brasilianische Staat verständlicherweise bei seiner aktuellen Lage nicht zur Verfügung hat.

Doch nicht alle Favelas sind so gefährlich, wie sie gerne z. B. im Film “City of God” präsentiert werden.

Ich möchte hier nichts verschönern. Noch Heute laufen in den nicht von der Polizei kontrollieren Favelas Kinder mit Waffen herum. Noch heute werden in den Armenvierteln Drogen hergestellt und an die Reichen verkauft.

Es ist aber nicht überall so.

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Auch in vielen Armenvierteln möchten die Menschen einfach ein möglichst normales Leben führen, ohne jegliche Kriminalität. Einfach wieder einen Anschluss an die Gesellschaft finden und nicht mehr von derjenigen ausgeschlossen werden.

In Rocinha z. B. werden Schulen gebaut, womit für die Kinder und Jungendliche eine Ausbildung ermöglicht wird. Es werden Krankenhäuser gebaut, um für die Gesundheit der Einwohner zu sorgen. Und Schwimmbäder stampfen aus dem Boden, um den Alltag möglichst angenehm zu gestalten.

Viele der Einwohner Favelas wollen bloss ein möglichst normales Leben führen.

Favelas Rio de Janeiro Rocinha wie gefährlich

Die Kinder aus dem Favela gehen für eine bessere Zukunft zur Schule.

Favelas Rio de Janeiro Rocinha wie gefährlich

Ein Schwimmbad für den kleinen Spass zwischendurch.

Favelas Rio de Janeiro Rocinha wie gefährlich

Schnell mal ein Foto mit den Jugendlichen aus dem Favela machen. Check!

Die Perspektiven der Kinder

Beim Vorbeigehen habe ich einen kleinen Jungen für ein Foto gefragt, worauf er völlig sympathisch in die Kamera lächelte und sich fotografieren liess.

Wenn ich mir nur vorstelle, wie das in den Favelas zu und her geht. Was die Einwohner alles durchmachen mussten. Wie die Perspektiven ausschauen. Ob sie jemals in ihrem Leben aus dem Armenviertel herauskommen ist absolut ungewiss und die Chancen sind leider relativ klein.

Auch der kleine Mann hat seine Träume, seine Wünsche, seine eigene Lebensreise, die er gerne antreten würde. Sehr wahrscheinlich wird es ihm wegen den Umständen, in denen er hereingeboren wurde, für immer verwehrt bleiben.

Ich wünsche mir eine Welt, in der jeder seinen kleinen Traum leben kann.

Jeder von uns sollte zu einer besseren Welt beitragen. Wir können sie nicht komplett ändern. Wenn wir aber nur die Welt eines Einzelnen zum positiven verändern, haben wir eine grosse Tat in unserem Leben vollbracht.

Favelas Rio de Janeiro Rocinha wie gefährlich

Dieses Bild hat bei mir persönlich etwas bewegt, dass mich noch Heute zum nachdenken verleitet.

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Sicherheitstipps für Fevelas

Ich kann jedem dazu raten, beim nächsten Besuch in Rio de Janerio mal einen Tagesausflug in die Favelas zu machen. Es ist ein unvergessliches Erlebnis, das einen über das eigene Leben nachdenken lässt. Wie gut wir es eigentlich haben und dafür jeden Tag dankbar sein sollen.

Dennoch möchte ich dir die folgenden Tipps geben, damit du auch wieder Heile zurückkommst:

  • Favelas ohne Polizeikontrolle sind sehr gefährlich. Da werden auch keine Touren geführt und als Tourist hat man dort auch nichts verloren. Nur in den von der Polizei kontrollieren Favelas werden teilweise Touren angeboten.
  • Gehe nie ohne einen vertrauenswürdigen Guide. Selbst in den von der Polizei kontrollierten Favelas wird abgeraten, alleine unterwegs zu sein. Es gibt überall Menschen, welche die Gelegenheit ausnützen könnten.
  • Protze mit deinem materiellen Besitz nicht herum. Lass deine Wertsachen am besten im Hotel. Deine Kamera oder Handy kannst du zur Tour mitnehmen. Packe sie beim herumlaufen lieber in die Hosentasche. Stell dir vor, du wünschst dir was, wirst es dir aber niemals leisten können. Dann reibt es dir jemand ständig unter die Nase. Wenn du in Armut lebst, wärst du vielleicht auch bereit, es in deinen Besitz zu holen.
  • Wenn du aus irgendeinem Grund doch noch alleine in den Favelas unterwegs bist und zum Aufhalten geboten wirst, da tu es auch. Spiel nicht den Helden. Wenn du meinen Rat befolgt hast und keine Wertsachen dabei hast, kann dir auch nicht viel passieren. Die Lebensumstände vieler Menschen treiben einen eher zum Raubüberfall, als zu einem grösseren Verbrechen. Nochmals: Spiel nicht den Helden.

Ich möchte dich mit diesen Tipps vor nichts abschrecken. Der Besuch in den Favelas ist ein unvergessliches Erlebnis und wird dir dein Leben lang im Kopf bleiben. Dennoch ist es vor allem in Ländern wie Brasilien wichtig, mit einer gesunden Portion Vorsicht die Reise zu geniessen.

Follow:

13 Comments

  1. Michelle
    6. December 2016 / 14:35

    Hi Igor
    Ein wirklich toller Artikel!
    Wir haben uns damals als wir in Rio waren ebenfalls überlegt eine Favelatour zu machen, hatten dann aber nicht mehr wirklich die Zeit dazu. Dafür waren wir auf Angra dos Reis (was ein absoluter Albtraum war, aber das ist eine längere Geschichte). Jedenfalls würde ich nach deinem Artikel eine solche Tour buchen wenn ich das nächste Mal in Rio bin. 🙂

    • Igor
      Author
      11. December 2016 / 15:30

      Ich bin mir sicher, die Tour durch die Favelas wirst du lieben, Michelle. Brasilien allgemein bietet einem so viel, wie z. B. Angra dos Reis, das auf den Bildern zumindest traumhaft ausschaut.

  2. 9. December 2016 / 0:09

    Hallo Igor,

    sehr interessante Eindrücke! Rio ist auch so eine Traumdestination von mir und einen Blick in die Favelas würde ich auch gerne mal werfen. Habe mich im Hinblick meines Studiums etwas mit den jüngeren Entwicklungen in den Favelas beschäftigt und in vielen Texten wurde angesprochen, dass einige Favelas in Rio mittlerweile relativ hip werden und sogar die ersten Hostels dort eröffnen. Auch wurden im Vorfeld der WM und der Olympischen Spiele viele Favelas befriedet oder zahlreiche Menschen umgesiedelt und in Randbezirke gedrängt um ein positiveres Bild für die Touristen zu schaffen. Ich finde es auch immer wieder traurig und unfair auf Reisen Menschen zu treffen, die auch gerne die Welt erkunden würden aber es aufgrund ihrer Lebenssituation vermutlich niemals können.

    Liebe Grüße aus Panama
    Marie

    • Igor
      Author
      11. December 2016 / 15:34

      Schöne Ergänzung meines Artikels, Marie. Danke! Ich bin mir nicht sicher, ob ich unbedingt in ein Hostel in den Favelas gehen würde, aber einen kurzen Trip würde ich jeden empfehlen. Schade, wenn die Leute irgendwo verdrängt werden, nur um ein besseres Bild zu verschaffen. Somit wäre dieses neue Bild ziemlich verfälscht. Hoffe, dass es eher eine Ausnahme, als die Regel ist.

  3. andre
    17. July 2017 / 15:03

    In von polizei bewachte favelas ist nun keine kunst. wüsste nicht was daran so gefährlich oder aufregend sein soll.

    • Igor
      Author
      17. July 2017 / 15:06

      Es war auch nie die Rede vom nächsten Adrenalinkick. Fakt ist, dass viele Menschen gerne mal die Favelas vor Ort erleben würden, sich aber aufgrund dem nach aussen vermittelten Bild nicht trauen und somit die Möglichkeit verpassen.

  4. 20. October 2017 / 8:43

    Hi Igor,
    interessante Einblicke, die du hier gibst! Wir waren im August in Rio und haben uns aufgrund der Sicherheitslage gegen einen Besuch in den Favelas entschieden. Zudem stehe ich immer in einem Zwiespalt zwischen “Armut als Touristenattraktion, das geht gar nicht” und “Wenn den Einheimischen das Geld zugute kommt ist es sehr positiv”.
    Und klar, auch die allermeisten Leute in den Favelas wollen einfach nur ein gutes Leben führen, haben es aber extrem schwer. Wir haben uns aber trotzdem gegen einen Besuch entschieden, mit Kind ist das Risiko einfach zu groß!
    LG, Sabine

    • Igor
      Author
      24. October 2017 / 20:33

      Das verstehe ich gut, Sabine. Persönlich habe ich es nie als eine Touristenattraktion angeschaut, auch wenn es eine sein mag. Viel eher wollte ich einen möglichst authentischen Einblick in den Alltag werfen. Sofern das überhaupt möglich ist.

  5. Ronny
    26. June 2020 / 16:52

    Das Problem an der heutigen Urlaubs- und Reisementalität ist, dass es nicht mehr zum Erholen da ist, sondern teilweise nur noch, um sich von anderen abzuheben. Reicht nicht mehr aus, sich einfach an die Ostsee zu setzen, um vom Arbeitsalltag für zwei Wochen abzuschalten. Nein, man muss an den Arsch der Welt reisen, damit es anders ist als das, was die anderen machen. Und alles wird im Internet angepriesen, so dass es zu einer Art Trend wird und zu einem Ding, was plötzlich jeder gemacht haben will. Und dann kommt jemand und muss sich davon abheben, also macht er etwas noch individuelleres. Da reicht es natürlich nicht aus, sich nur in der normalen Tourismus-Umgebung zu bewegen. Also bewegt man sich auch dort, wo man vielleicht nichts zu suchen hat.

    Der Punkt mit den Favelas ist genau das. Ihr seid und bleibt Touristen aus einer sehr viel besser gestellten Welt und guckt Euch diese Orte an, als wäre das ein Teil eines Themenparks. Ihr argumentiert, dass ihr Euch dafür interessiert und es kein Adrenalinkick sein soll. Im Endeffekt läuft es aber genau darauf hinaus. Ihr könnt diesen Menschen nicht helfen und die Menschen haben im Umkehrschluss auch nichts davon, wenn ihr da durchstiefelt. Ihr seid die Kreuzfahrttouris, die für drei Stunden anlegen, einmal durch die nächste Innenstadt laufen, sich nicht einbringen und dann wieder abhauen. Hauptsache man konnte ein paar Fotos knippsen und kann erzählen, dass man dort war.

    Diese Orte existieren aus einem spezifischen Grund und sind nicht dafür da, dass man sie als Teil seiner Attraktion betrachtet. Wenn ich dort wohnen müsste, würde es mich ankotzen, wenn jeden Tag Leute aus der gut betuchten Welt durch mein erbärmliches Wohnumfeld laufen, nur damit sie mal gesehen haben, wie scheiße ich leben muss. Und Zuhause erzählen sie anderen davon, weil es etwas ist, womit man sich von anderen abheben kann.

    • Igor
      Author
      26. June 2020 / 17:05

      Hallo Ronny, auch wenn ich deine Gednaken nachvollziehen kann, hast du mit keinem deiner Punkte Recht.
      1: Es gibt auch Heute genug Ostsee Urlauber, ich war nie einer davon und werde es auch nicht sein. Wird mir zu schnell langweilig. Ebenfalls ist die Reisewelt schon immer vielseitig gewesen, allerdings wirfst du alle in den gleichen Topf.
      2: Meine sogenannte Neugier hat mich im Leben oft dazu verleitet, die Welt so zu sehen, wie sie wirklich ist. Nähmlich nicht immer nur schön und sorgenfrei wie die Ostsee.
      3: Der Besuch in den Favelas ist ein Angebot, welches von den Leuten vor Ort kreiert wurde, um zu zeigen, dass es kein völlig gewaltsames Ghetto ist, sondern sich dort auch das “normale” Leben abspielt. Auch geht der Grossteil der Einnahmen an die Einwohner der Favelas und es wird ihnen damit geholfen.
      4: Verschliesse deine Augen nicht von der Realität. Bereise die Welt, entdecke jede Facette und verändere so gut wie Möglich das Leben der Menschen, die es aus eigener Kraft nicht schaffen. Bringt mehr, als zwei Wochen lang auf der Ostsee die Welt zu vergessen.

    • Ronny
      26. June 2020 / 17:39

      Ich habe selbst schon einige Orte dieser Welt bereist und mich (mehr oder weniger gewollt) unter das einheimische Volk gemischt. Wir sind oft wandern und da kommt man zwangsläufig immer mal hier und da vorbei, wo sich kein Hotelhochburgtourist hin verirrt. In Vietnam war ich auch einmal. Allerdings bereise ich diese Orte nicht aus Neugier vor der einheimischen Kultur und weil ich mir selbst auf die Schultern klopfen muss, dass ich mal bei den Ärmsten der Armen dieses Landes war, nur um mir ein besseres Gewissen zu machen, nicht nur faul im Hotel gesessen zu haben.
      Ich betrachte das absichtliche Bereisen solcher Orte immer mit großer Skepsis, gerade wenn es sich um von Armut geprägten Orten handelt. Denn dann kann man mit eigener Neugier und Erleben von Authentizität argumentieren wie man will. Man nutzt aus, dass man auf Kosten der dortigen Wirtschaftslage günstig reisen kann. Und das eigene Dasein hat keinerlei Bedeutung für die Menschen dort. Es verkommt zur Attraktion und dein Erscheinen für den Bruchteil der Zeit wird dort nichts verändern. Auch nicht mit den 100, die nach dir kommen. Im Endeffekt ist das ein Schnappschusseindruck und läuft immer darauf hinaus, dass man Tourist war und sich neben einen Einheimischen setzt und ein hübsches Foto schießt.

      Und um dir zu verinnerlichen, dass es nicht nur gutes auf der Welt gibt, muss man sich nicht in fernen Ländern unter die Ärmsten der Armen mischen. Da reicht der eigene Menschenverstand aus. Denn Armut gibt es auch direkt vor der eigenen Haustür.

    • Igor
      Author
      26. June 2020 / 18:46

      Du hast dein Recht auf deine eigene Meinung. Auch wenn diese gemacht wurde, ohne mich, meine Geschichte, meine Lebenseinstellung und meine Gedanken zu kennen. Deshalb werde ich auch nicht weiterhin darauf eingehen. Nicht, weil ich einer Diskussion aus dem Weg gehen möchte, sondern weil mir die Diskussion sehr einseitig erscheint. Lass nur so viel gesagt sein. Viele Ländern, sei es Indonesien oder Kroatien (mein Geburtsland) leben von der Neugier der Reisenden und können sich durch die Einnahmen ein besseres Leben ermöglichen. Ob das nach deinem Geschmack ist, bleibt dir natürlich vollkommen überlassen. Weiterhin alles Gute.

    • Ronny
      14. July 2020 / 17:39

      Ich wünsche Euch auch weiterhin alles Gute. Ich wollte nur meine Sicht der Dinge äußern, auch wenn ich damit nicht Eure Art zu Reisen bestimmen will oder denunzieren möchte, was Euch beim Reisen wichtig ist. Aber es gibt immer zwei Seiten der Medaille und gerade die Art, wie man reist und wohin man reist sollte immer gut hinterfragt sein.

      Viele Grüße.

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